söndag 9 mars 2014

Nervenkrieg um die Ukraine

Die Welt 140302

Nervenkrieg um die Ukraine

"Kiew spricht von einer Kriegserklärung Putins. Regierungschef Jazenjuk bittet internationale Gemeinschaft um militärischen Beistand. USA drohen mit Sanktionen gegen Russland
Die Ukraine fürchtet angesichts der Besetzung der Halbinsel Krim durch russische Truppen einen Krieg mit seinem übermächtigen Nachbarland. Der amtierende Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bat die Nato um militärischen Beistand. "Wir stehen am Rande einer Katastrophe", sagte Jazenjuk am Sonntag. Der Beschluss des russischen Parlaments, das am Tag zuvor auf Antrag von Präsident Wladimir Putin die Entsendung von Truppen auf die ukrainische Halbinsel Krim genehmigt hatte, sei "keine Drohung", sondern "eine Kriegserklärung gegen mein Land".
In der schärfsten Konfrontation zwischen Russland und dem Westen seit dem Ende des Kalten Krieges bemühte sich am Wochenende die internationale Gemeinschaft um eine diplomatische Lösung der Krise. Der prowestliche Jazenjuk appellierte an den Westen, sich für die "territoriale Integrität und Einheit" der Ukraine und gegen einen "von der Russischen Föderation provozierten militärischen Konflikt" einzusetzen. Nach dem Sturz des Präsidenten Viktor Janukowitsch ist ein offener Konflikt zwischen Russland und der Ukraine um die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim-Republik entbrannt.

US-Präsident Barack Obama warf Putin in einem 90-minütigen Telefonat die Verletzung des Völkerrechts und der ukrainischen Souveränität vor. In Brüssel kamen die Nato-Botschafter zu einer Krisensitzung zusammen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warf Moskau vor, die Charta der Vereinten Nationen zu verletzen: Russland bedrohe "Frieden und Sicherheit in Europa". Der Sicherheitsrat in Kiew versetzte die Armee in höchste Alarmbereitschaft und berief Reservisten ein. Der Luftraum über der Ukraine wurde für Militärflugzeuge gesperrt. Am Abend bestätigten sich Gerüchte, wonach der Befehlshaber der ukrainischen Marine, Denis Beresowski, die Seiten gewechselt habe. Die Ukraine wirft ihm Hochverrat vor.

Wegen der russischen Ansprüche auf die Krim hatten bereits mehrere Staaten die Vorbereitungen für den Gipfel der acht führenden Industriestaaten (G 8) im Juni auf Eis gelegt. Neben den USA zogen sich auch Großbritannien, Frankreich und Kanada zurück. US-Außenminister John Kerry warnte Russland vor dem Verlust seiner G-8-Mitgliedschaft. Wenn der Konflikt um die Ukraine weiter eskaliere, könne es Putin passieren, dass es "keinen G-8-Gipfel in Sotschi" geben werde, sagte Kerry dem US-Fernsehsender NBC. "Möglicherweise bleibt er gar nicht in der G-8-Gruppe, wenn das so weitergeht."

Kerry drohte Russland mit Sanktionen. Es könnten "Guthaben eingefroren werden", US-Unternehmen könnten sich "zurückziehen", der Rubel könne "weiter geschwächt" werden. Russland müsse begreifen, "dass dies ernst ist. Wir meinen es todernst", sagte Kerry. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) beklagte die zunehmenden Spannungen in dem Konflikt, schätzte aber: "Noch ist Umkehr möglich. Noch kann eine neue Spaltung Europas verhindert werden." Seine geplante Reise nach Moldawien und Georgien zusammen mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius sagte er wegen der Krise in der Ukraine ab. Die EU-Außenminister kommen am heutigen Montag in Brüssel zusammen, um über die Krise in der Ukraine zu beraten.

Der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU) warnte vor einer Ausweitung des Konflikts über die Krim hinaus. "Die Russen dürfen jetzt nicht auch noch in der Ostukraine tätig werden", sagte Brok der "Welt". Er mahnte, mit Moskau zu reden. Die russische Begründung für die Militäraktionen, nämlich dass die Rechte der russischen Minderheit in der Ukraine in Gefahr seien, stimme nicht. Man müsse auch deutlich machen, dass sich ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht gegen russische Wirtschaftsinteressen richte.

Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, appellierte an alle Beteiligten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und im Reden und Handeln der dramatischen Lage zu entsprechen. Er rechne mit einem "abgestimmten Vorgehen der EU", sagte Roth der "Welt". CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff warnte davor, aus der Hüfte mit Sanktionen zu drohen. Eine stabile und prosperierende Ukraine sei auch im Interesse Russlands: "Diese Logik, dass es zu einem Machtverlust für Moskau führt, wenn sich die Ukraine Europa zuwendet, ist altes Denken aus dem Kalten Krieg.""

Inga kommentarer:

Skicka en kommentar